Kommentar von Rudi Kulzer
Die Messeleitung in Hannover hat noch während der laufenden Veranstaltung 2017 die Flucht nach vorne angetreten. Im kommenden Jahr sollen die CeBIT nicht mehr im Frühjahr stattfinden, sondern erst im Juni. Die Zahlen müssen wohl nicht gut gewesen sein, auch wenn man das euphemistisch verschleiert. Es war davon die Rede, dass die erwartete Zahl von 200.000 Besuchern erreicht wurde. Das bedeutet mit großer Wahrscheinlichkeit, dass die Anzahl der Besucher darunter liegt, wie viel ist fraglich.
Die drastische Entscheidung ist also einerseits verständlich, es stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Weg der richtige ist. Die CeBIT soll nun als Event, für ein breiteres Publikum, eine Art Mischung aus Consumer Electronics und deren neuen Messe in Austin Texas SXSW (ursprünglich ein Musik Festival) stattfinden. Den Versuch einer Verbraucher-CeBIT gab es schon einmal (1996), CeBIT Home genannt, der damals allerdings scheiterte.
Nach meiner Ansicht wäre der richtige Weg gewesen, die CeBIT dorthin zurückzubringen, woher sie ursprünglich kam, nämlich als Bürogeräte- und Computermesse in die Industriemesse Hannover, die im April stattfindet. Diese hat immer noch eine gute Reputation und ist beim Fachpublikum geachtet. Das Thema heißt also nach meiner Ansicht „Back to the Future“.
Die ursprüngliche CeBIT war als Bürogeräte- und Computermesse eine Ergänzung der Industriemesse, die 1986 abgetrennt wurde. Zuvor war der einleuchtende Gedanke, dass der Besucher zusätzlich zu seiner Fachinformation sich auch über Themen Computer und Bürogeräte informieren konnte. Zu diesem Zweck wurde 1970 die berühmte Halle 1 gebaut, die ja noch steht. Zurzeit wird sie wohl als eine Art Kongress-Einrichtung genutzt.
Eine Entscheidung auf dieser Basis wäre deutlich vielversprechender als der angekündigte Event-Ansatz. Zu einem würde das wichtige Thema Informationstechnik erhalten bleiben. Auch den politischen Charakter, den die CeBIT immer hatte, siehe den Besuch des japanischen Ministerpräsidenten zusammen mit Frau Merkel in Hannover, gilt es zu erhalten. Ein solches Bemühen, wichtige technische Veränderungen in Kombination mit der Politik zu diskutieren, ist einmalig auf der Welt. In den USA würde sich ein Präsidenten niemals einfallen, eine noch so wichtige Messe zu eröffnen.
Es stellt sich allerdings die Frage ist, die für Deutschland typische Art der großen Industrieschau noch zeitgemäß ist. In vielen Fällen nicht.! Ausnahmen sind dabei wohl Messen wie die Bau und Baumaschinen Ausstellung in München, die Drupa in Düsseldorf oder große Automessen, die einen größeren Freiraum als Ausstellungsgelände brauchen. Die CeBIT gehört da nicht dazu, die Industriemesse Hannover wohl schon.
Anstelle der großen Industrieschau mit den in vielen Bundesländern angesiedelten großen Messezentren wäre bei Themen wie der Informationstechnik der amerikanische Stil, ein gut besuchter und teuer bezahlter Kongress mit entsprechendem Hotelangebot, der richtige Schritt. Das fällt uns in Deutschland aufgrund unserer Struktur, speziell in Hannover, sehr schwer. Der beste Ort für so etwas ist die Spielerstadt Las Vegas in Nevada. Sie hat zwar ein relativ kleines Messegelände (3 Hallen), aber ein sehr hohes Angebot an Hotelbetten und auch zusätzlichen kleineren Kongress-Einrichtungen in dafür speziell ausgelegten Hotelressorts (Venician und Mandela Bay). Die bieten dafür bessere Möglichkeiten mit zahlreichen Hospitality Suites, in denen die Bosse der Unternehmen für ihre Kunden residieren.
Wenn sich Hannover also ändern will, sollte das nach meiner Ansicht in diese Richtung gehen. Auf dem überdimensionierten Gelände der Welt Expo wäre Platz und damit auch eine städtebauliche Chancen – politisch allerdings nicht einfach zu verwirklichen. Auf eine CeBIT als Event zu setzen, halte ich für falsch. Die Hoffnung auf zahlreiche Jugendliche ist keine gute Idee, die haben nicht das nötige breite Einkommen, um den gewünschten Umsatz in die Stadt zu bringen oder zu halten. Zudem ist mit der Gamescom in Köln bereits ein starker Wettbewerber in Deutschland.
Ceterum censeo! Jugendliche und Verbraucher haben zu wenig finanzielle Möglichkeiten, um für das Land Niedersachsen, die Stadt Hannover und das Umland eine planbare Einkommensgröße darzustelle.Die genannten sind die Besitzer der Messe Hannover. Auf jeden Fall wird die wichtige Neuorientierung in die Zukunft – trotz vollmundiger Lobeshymnen vorab – den Niedersachsen schwer fallen.
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