ein Nachrichten Blog von Rudi Kulzer
Der MÜNCHNER KREIS zeigte auf einer Veranstaltung in München, wie aus der Flut von öffentlichen und privaten Daten der digitalen Welt neues Wissen, gesellschaftlicher Mehrwert und Geschäftserfolge entstehen. Eine rapide Zunahme von Datenmengen und Datenquellen lässt sich in vielen Lebensbereichen beobachten – von den Handels-, Finanz- und Energiesektoren über die Telekommunikation, das Gesundheits- und Verkehrswesen bis hin zu sozialen Netzwerken.
Neben der steigenden Datenmenge ist es vor allem die Geschwindigkeit, mit der Daten erzeugt und oft in Echtzeit analysiert und verarbeitet werden, die besondere Anforderungen an die Informationssysteme stellen. Wer Daten als Wirtschaftsgüter nutzt, muss auch die Nutzungsrechte berücksichtigen.
Auf einer Fachkonferenz des MÜNCHNER KREIS haben rund 150 Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Konzepte für die effiziente Verarbeitung und Analyse ständig wachsender Datenmengen diskutiert. Der Anstieg des Volumens bei der Datenerhebung, -verarbeitung und -analyse geht in vielen Fällen bereits in die Petabytes, Exabytes und sogar Zettabytes.
Nach aktuellen Schätzungen verzehnfacht sich die im Internet anfallende Datenmenge alle fünf Jahre. Bei solchen Wachstumsraten stoßen existierende Technologien und Konzepte aufgrund ihrer Komplexität und ihrer mangelnden Geschwindigkeit an ihre Grenzen.
„Neue anpassungsfähige Prozesse, Lösungsansätze und Strategien gewinnen an Bedeutung, die über intelligente Verfahren und lernende Systeme den effizienten Umgang mit Big Data erlauben“, sagte Prof. Arnold Picot, Vorstandsvorsitzender des MÜNCHNER KREIS. Das Ziel dieser Strategien ist eine Wissen stiftende Verarbeitung und Analyse der Datenvielfalt – vielfach sogar in Echtzeit. „Dieses Wissen kann jedem von uns zugutekommen und es kann Unternehmen sehr dabei helfen, Wettbewerbsvorteile zu erzielen und neue Geschäftsfelder zu erschließen“, so Picot.
„Jüngste Studien bestätigen, dass Unternehmen, die führend beim Einsatz der Datenanalyse sind, durchschnittlich 33 Prozent mehr Umsatz und ein zwölfmal höheres Gewinnwachstum haben als Nachzügler – und die Kluft wird immer größer“, beschrieb Christian Klezl von IBM die Aussichten eines systematischen Umgangs mit Big Data. „Dabei geht es nicht nur um die Herausforderungen steigender Datenmengen, sondern auch darum, unstrukturierte Daten beispielsweise aus sozialen Netzen und unsicheren Datenquellen zu analysieren und zu nutzen. Es ist wichtig, für Unternehmen eine Informationsagenda zu erstellen, um ihr größtes Geschäftspotenzial zu erkennen und zu nutzen. Dies gilt auch für den öffentlichen Sektor, in dem gesellschaftlicher Mehrwert durch einen besseren Service und geringere Kosten für den Bürger entstehen kann“, so Klezl weiter.
Den praktischen Umgang mit den rapide wachsenden Datenmengen erklärte Axel Deicke von der BMW Group: „Während im gesamten Jahr 2011 noch rund 20 Gigabytes an Informationen an die BMW Group übermittelt wurden, sind es nun täglich rund 30 Gigabytes an objektiven, technischen Informationen – Tendenz weiter steigend. Daten aus der Marktforschung oder der Kundenbetreuung sind hierin noch nicht einmal enthalten“. Danach werden bei der BMW Group Analyse-, Reporting- und Modellierungsanforderungen aus jedem Bereich des Automobil-Lebenszykluses bewältigt. „Dieser Zyklus reicht von der Forschung und Entwicklung, über Erprobungen, die Serienfertigung und Marketing bis zum Kundendienst und zur Gewährleistungsabwicklung“, erklärte Deicke.
Prof. Volker Tresp von der Siemens AG stellte das datenbasierte Management global installierter Siemens-Kundenlösungen in der Praxis vor. So werden beispielsweise durch die Analyse von Betriebsdaten über präventive Instandhaltung Computertomographie-Röhren rechtzeitig ausgetauscht und somit Ausfallzeiten minimiert. Über das so genannte Condition Monitoring werden in einem anderen Beispiel kritische Systemzustände frühzeitig erkannt und dadurch Turbinenvibrationen vermieden. „Eine besondere Aufgabe übernimmt Big Data in der Optimierung der Kundenlösung. Dies reicht von einer smarten Visualisierung der Datenströme, über datenbasierte Entscheidungsunterstützung bis hin zur Fehler-Ursachen-Analyse“, so Tresp.
Inzwischen hat die Datenanalyse längst die internen Unternehmensbereiche der so genannten Business Intelligence, des automatisierten Berichtswesens, verlassen. Dr. Volker Rieger von Detecon International berichtete, dass viele aktuelle Big-Data-Anwendungen darauf abzielen, Informationen direkt für Kunden und Nutzer bereitzustellen. Häufig sind es Start-Ups, die entsprechende Marktnischen entwickeln, und damit Transparenz und die Macht der Verbraucher erhöhen. „Unternehmen und Verbraucher können enorme Vorteile aus der Datenanalyse ziehen. Genauso wichtig wie die Beherrschung der Analyseprozesse und Technologien ist aber der Konsens in Gesellschaft und im Markt über akzeptable Datenquellen und werthaltige Informationsangebote“, erläuterte Rieger.
Dr. Alexander Duisberg von Bird & Bird LLP wies auf die rechtlichen Probleme im Umgang mit Big Data hin. So stelle sich im Kern die Frage nach dem Eigentum und der Verkehrsfähigkeit einzelner Datensätze und Datensammlungen. „Unser Zivilrecht gewährt keinen Eigentumsschutz für einzelne Datensätze. Der Schlüssel liegt in den Rechten des Datenbankherstellers. Es ist also nicht die Frage, wem die Daten ‚gehören‘, sondern ob Rechte des Datenbankherstellers bestehen und wie man anderen Marktteilnehmern Rechte daran vertraglich einräumt oder überträgt. Komplexe datenschutzrechtliche Fragen können hinzutreten – insbesondere, wenn personenbezogene Daten aus international unterschiedlichen Quellen in Datenbanken enthalten sind“. Immerhin stelle sich das Problem des Datenschutzes in einer weit überwiegenden Vielzahl der Fälle von Big Data sachlich gar nicht, da es an dem individuellen Personenbezug der einzelnen Datensätze fehle.
Als Fazit der Fachkonferenz wies Picot darauf hin, dass der Einsatz intelligenter Verfahren und lernender Systeme nicht nur zu einer Optimierung der Technologien, Prozesse und Betriebsmodelle innerhalb großer Unternehmen führen wird. Vielmehr erforderten sie insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen eine engere Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen. Zugleich bietet sich hier die Chance für das Entstehen hochspezialisierter neuer Dienstleister. „Oft können einzelne Unternehmen aufgrund der Komplexität diese Herausforderungen allein nicht meistern. Hier müssen neue Wege beschritten werden, ohne die viele Investitionen in die digitale Infrastruktur überhaupt nicht nutzbar sind. Ein wichtiger Punkt ist hierbei auch der Austausch und die Nutzung von Daten und die damit zusammenhängende Frage der Daten-Governance von öffentlichen, privaten sowie vertraulichen Daten“.
Über den MÜNCHNER KREIS:
Der Münchner Kreis ist eine gemeinnützige übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung. An der Nahtstelle von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien befasst er sich mit Fragen der Technologie, der Gesellschaft, der Ökonomie und der Regulierung im Bereich von Informations- und Kommunikationstechniken sowie der Medien. Er begleitet und fördert die Entwicklung der Informationsgesellschaft in verantwortungsvoller Weise, und wirkt an der Verbesserung der Rahmen-bedingungen durch wissenschaftlich qualifizierte Beiträge und sachlichen Dialog konstruktiv mit.
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