IBM feiert heute einen runden Geburtstag. Der IT-Pionier kann stolz auf hundert Jahre Firmengeschichte zurückblicken. Das US-Unternehmen mit namhaften Managern und Erfindern hat Branchengeschichte geschrieben.
Der US-Computerkonzern IBM wurde am 16. Juni 1911 unter dem Namen Computing Tabulating and Recording Company (C-T-R) Incorporated in New York gegründet. Lochkarten, kommerzielle Waagen und vernetzte Uhren für Schulen und Bürogebäude waren die Produkte der Gründerzeit.
Es war vor allem das von Herman Hollerith erfundene Lochkartenverfahren, das IBM zum Computerpionier machte und lange die Technik der Datenverarbeitung prägte. Hollerith wurde als Kind deutscher Einwanderer aus der Pfalz (Maikammern) in Buffalo im US-Bundesstaat New York geboren. Sein System, auch Hollerithmaschine genannt, wurde 1890 bei der amerikanischen Volkszählung verwendet.
1896 gründete er die Tabulating Machine Company, um seine Erfindung kommerziell zu verwerten.1911 verkaufte Hollerith seine Gesellschaft, die mit der Computing Scale Corporation und der International Time Recording Company zur Computing Tabulating Recording Corporation (CTR) fusionierte. 1924 wurde CTR in International Business Machines Corporation (IBM) umbenannt.
Aus Holleriths Erfindung wurde 1928 die IBM Karte – ein rechteckiger 80-spaltige Karton mitrechteckigen Löchern, die Datenbits repräsentieren. Sie blieb jahrzehntelang der Branchenstandard für das Speichern und Aufzeichnen von Daten und verhalf IBM zu einer Spitzenposition in der Datenverarbeitung. Von ihr stammt die noch immer gültige Standardbreite von 80 Zeichen in der EDV.
1914 trat Thomas J. Watson Sr. in das Unternehmen ein und wurde 1915 dessen Präsident. Er baute einen professionellen Vertrieb auf und setzte mit einer strenger Kleiderordnung den Maßstab für Service und Unternehmenskultur. IBMer waren in der IT-Branche lange daran zu erkennen, dass sie wie Banker gekleidet waren und ihre Notizen auf Lochkarten machten, die sie immer in ihren Sakkotaschen vorrätig hatten.
Schon damals waren nach Ansicht von Branchenbeobachtern 90 Prozent der IBM Produkte ein Ergebnis der aggressiven Investitionen Watsons in Forschung und Entwicklung. Dieser Trend hält bis heute an: IBM investiert nach eigenen Angaben jährlich 6 Mrd. US-Dollar in diesen Bereich und beschäftigt 3.000 Forscher in acht Forschungslabors in sechs Ländern.
Computertechnik für die Raumfahrt
Schon in den 50er Jahren punktete Big Blue, wie IBM in der Branche genannt wird, als Computerhersteller. So wurde 1951 ein kartenprogrammierter Rechner als erster digitaler Computer im US-Raumfahrtprogramm eingesetzt. Ein Jahr später wurde Thomas Watson Jr. Präsident der IBM, sein Vater blieb Chairman bis 1956.
Zu den technischen Pioniertaten dieser Zeit zählte die Magnetbandspeichereinheit IBM 726 als Konzept des elektronischen Speichers – eine einzelne Bandspule konnte so viele Daten speichern wie 35.000 Lochkarten. 1956 begründet IBM mit der Methode RAMAC (Random Access Method of Accounting and Control) und dem damit verbundenen ersten Magnetfestplattenlaufwerk die Datenspeicherbranche.
Die Laufwerke, damals so groß wie zwei nebeneinanderaufgestellte Kühlschränke, fassten eine Kapazität von 10 Megabit und wogen 10 Tonnen. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Laptop von heute würde etwa 250.000 Tonnen wiegen, wenn er mit dieser Technologie ausgestattet wäre.
1957 wurde FORTRAN, eine Erfindung von John Backus aus dem IBM Labor, zur weltweit meistgenutzten Computersprache und zum ersten Standard bei Programmiersprachen. 1958 setzte IBM SAGE (Semi-Automatic Ground Environment) als erstes großes Computernetzwerk ein, das die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine in Echtzeit ermöglicht.
IBM war auch lange Zeit ein bedeutender Player bei Schreibmaschinen. Die IBM Selectric galt mit ihrem Design 1961 als Sensation. Mit ihrem silberfarbenen Schreibkopf in Form eines Golfballs (Kugelkopf) revolutioniert sie die Schreibgeschwindigkeit und beherrscht 25 Jahre lang den Markt der Büroschreibmaschinen. Das Modell Elite war die Schreibmaschine für die Schreibdamen in den Vorzimmern der Vorstände.
1962 führten IBM und American Airlines das weltweit erste computerbasierte Flugbuchungssystem namens SABRE ein, das den Weg für den Onlinehandel in Echtzeit und für Bankautomaten bereitet.
Meilenstein Mainframe
1964 traf Watson Jr. die wohl wichtigste Entscheidung in der Geschichte der IBM als er auf die Produktfamilie System/360 setzte. Sie läutete das Zeitalter der Computerkompatibilität ein und begründete die Familie der Mainframe-Maschinen. Der auf Halbleiterchips basierende Computertyp blieb 20 Jahre lang marktbeherrschend.
Für den Einsatz in kleineren Rechnern gelang IBM-Mitarbeiter Bob Dennard 1966 die Erfindung des Arbeitsspeichers DRAM (Dynamic Random Access Memory), dessen Einfachheit und geringer Stromverbrauch Computerspeicher schneller, dichter und preisgünstiger machte und später zur Entwicklung von PCs, Laptops, Videospielen und Smartphones führen sollte.
Für die Großrechner führte IBM 1968 das Customer Information Control System, (CICS), ein, das zu einem der wichtigsten IBM Softwareprodukte wird. Es steuert auch heute noch die meisten Transaktionen an Bankschaltern- und Geldautomaten. 1969 förderte die vom IBM Entwickler Forrest Parry erfundene Magnetstreifentechnologie für Kreditkarten die Entstehung der globalen Kreditkartenbranche.
In dieser Zeit wurde IBM Technologie auch bei der Apollo-Mission, dem ersten bemannten Mondflug, eingesetzt. Die Anfrage der NASA nach geordneten Stücklisten führte letztlich in den Labors von Santa Teresa / Almaden (in der Nähe von San Jose, CA) zur Entwicklung der Relationalen Datenbanken durch Edgar Codd. Sie revolutionierten die Art und Weise, wie Daten für die Finanzbuchhaltung und Fertigung gespeichert und verarbeitet werden.
1971 trug die Erfindung der Diskette als weltweit erster flexibler Magnetdatenträger dazu bei, dass Datenspeicher leistungsstark und kostengünstig wurden und setzte später als Komponente die PC-Revolution in Gang.
Lou Gerstner rettet den Computergiganten
1993 wurde nach einer schweren Krise Lou Gerstner CEO und Chairman von IBM. Er stellt sich gegen die damalige Meinung, dass IBM aufgeteilt werden sollte, und hielt das Unternehmen zusammen. Gerstner ordnete den Computergiganten völlig neu. Anstelle der Betonung des Verkaufs von Hardware kamen eine starke Konzentration auf Software und Services.
In diesem Trend übernahm 1995 IBM die Lotus Development Corporation. Seitdem hat IBM 40 Mrd. US-Dollar in die Übernahme von mehr als 160 Unternehmen investiert, um sein hochwertiges Portfolio an Hardware, Software und Services auszubauen. Die wichtigsten weiteren Übernahmen waren Tivoli (Systemmanagement, Rational (Softwarteentwicklung) und Cognos (Analyse). 1999 begann IBM damit, Linux zu unterstützen, und trieb damit Open-Source-Innovationen bei der Software voran.
Als besondere Glanztaten der IBM-Forscher sind vor allen zwei Ereignisse zu nennen: 1997 schlägt der IBM Supercomputer Deep Blue den Schachweltmeister in sechs Partien. Jüngst gelang es dem IBM-System Watson, in der US-Fernsehquizshow „Jeopardy“ die menschlichen Mitbewerber durch kluge Antworten zu schlagen. Dabei ging es nicht um den Einsatz von künstlicher Intelligenz, sondern um den gezielten Umgang mit „Big Data“. Das wird, so IBM, künftig auch in Geschäftsprozessen eine Rolle spielen.
2000 wurde Sam Palmisano President und COO. Seit 2002 ist er sowohl CEO wie auch Chairman der IBM. Er leitet die Transformation des Computerpioniers in ein global integriertes Unternehmen ein, die bis heute anhält. Weltweite Beachtung findet seine Lösungskampagne „Smarter Planet“. Da Palmisano bald 60 wird, hat IBM damit begonnen, einen möglichen Nachfolger aufzubauen, für den oder die es nicht leicht wird, die Schuhe der namhaften Vorgänger zu füllen.
Erschienen bei ZDnet IT-Business
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