von Rudi Kulzer
Basis Presseunterlagen von IBM Rüschlikon
Bilder: Werkfotos IBM Rüschlikon
Ein internationales Team von Physikern, Materialwissenschaftlern und Stringtheoretikern hat erstmals eine Quanten-Anomalie real auf der Erde beobachtet. Bisher vnahm man an, sie trete nur in extremen Gravitationsfeldern wie z.B. in Neutronensternen oder schwarzen Löchern auf. Die Entdeckung wurde am 19.7.2017 im renommierten Journal Nature veröffentlicht und könnte zu einem präziseren Modell des Universums und zur Verbesserung der Energieumwandlung in elektronischen Bauteilen führen.
Hintergrund: Der quantenmechanische Effekt mit dem Namen „axial-gravitationale Quanten-Anomalie“ konnte bisher nur theoretisch auf Basis der Stringtheorie (hypothetische physikalische Modelle) vorhergesagt werden. Man nahm an, dass er bei extrem hohen Temperaturen von Trillionen Grad Celsius als eine außergewöhnliche Form der Materie namens Quark-Gluon-Plasma während der frühen Entwicklungsstadien des Universums oder in Teichenbeschleunigern auftreten würde. Doch nun konnten die Wissenschaftler experimentell beweisen, dass er auch auf der Erde in der Festkörperphysik existiert – der Physik, auf der ein Großteil der heutigen Computerindustrie basiert, angefangen vom Transistor bis hin zu Cloud-Rechenzentren.
Beteiligte Wissenschaftler des IBM Forschungszentrums in Rüschlikon nutzten für ihr Experiment ein erst kürzlich entdecktes Halbmetall namens Weylmetall. Das aus den chemischen Elementen Niob und Phosphor bestehende Halbmetall wurde in Dresden am Max-Planck-Institut für Chemische Physik Fester Stoffe (MPI CPfS) synthetisiert und am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) in Form gebracht. Leiter der Studie waren Prof. Dr. Kornelius Nielsch, Direktor des Instituts für Metallische Werkstoffe innerhalb des IFWs, und Prof. Dr. Claudia Felser, Direktorin des MPI CPfS.
Im Experiment imitierten die Forscher durch den Aufbau eines Temperaturgradienten ein Gravitationsfeld in einer Weylmetall-Probe und legten an der Probe ein Magnetfeld an. Die Messungen wurden in einem Tieftemperaturlabor an der Universität Hamburg durchgeführt. Dabei beobachteten die Forscher einen unerwartet hohen Wärmefluss in der Probe. Mittels mathematischer Berechnungen bestätigte ein Team theoretischer Physiker des Instituto de Fisica Teorica UAM/CSIC, der UC Berkeley und der TU Dresden anschließend die Quanten-Anomalie.
Damit bricht diese Beobachtung mit klassischen Erhaltungssätzen, die die Grundlagen aller Abläufe in unserer alltäglichen Welt sind. Die nun veröffentlichte Entdeckung zeigt, dass in relativistischen Systemen unter bestimmten Bedingungen die Energie- und Impulserhaltungsgesetze nicht gelten. Unter relativistischen Systemen versteht man, dass sich in einer Materialprobe, wie hier das Weylmetall, Teilchen (z.B. Elektronen) mit einer Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegen und nahezu keine Masse haben.
„Der erstmalige experimentelle Nachweis dieser Quanten-Anomalie auf der Erde ist sehr wichtig für unser Verständnis vom Universum”, sagt Dr. Johannes Gooth, Wissenschaftler bei IBM Research – Zürich und Erstautor des Papers (Bild Mitte). „Mit den neuen Erkenntnissen können wir aber auch völlig neuartige Festkörper-Schaltelemente entwickeln, die man vorher nie in Betracht gezogen hätte. Damit bieten sich uns ungeahnte Möglichkeiten, die Grenzen von klassischen elektrischen Schaltern zu umgehen.“ „Dies ist eine unglaublich spannende Entdeckung. Die Schlussfolgerung ist klar: der gleiche Symmetriebruch kann in jedem physikalischen System beobachtet werden, egal ob es vom Beginn des Universums stammt oder sich hier auf der Erde befindet“, sagt Prof. Dr. Karl Landsteiner, Stringtheoretiker am Instituto de Fisica Teorica UAM/CSIC in Madrid und Co-Autor der Veröffentlichung.
Die Wissenschaftler nehmen an, dass die Entdeckung einen wichtigen Impuls geben wird für die Entwicklung neuer stromsparender Technologien zum Einsatz z.B. in Sensoren, elektronischen Schaltern, thermoelektrischen Kühlern oder Geräten zur Energiegewinnung.
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