von Rudi Kulzer
Der britische Blogger und Analyst Timothy Prickett Morgan hat sich wohl über HPs Hardwarechef Dave Donatelli geärgert: Nein, HP hat das Geschäft mit den x86-Servern im Industrie-Rack nicht erfunden, wie das Donatelli am Montag den 8.4. in zwei US-Fernsehinterview vollmundig zum Besten gab, schreibt der britische Kollege. Diese Ehre gebührt den Ingenieuren und Informatikern von Compaq, dem texanischen IT-Konzern, der vor zehn Jahren von Hewlett-Packard übernommen wurde. Für die nächste Meilenstein-Ära, die unter dem Projektnamen „Moonshot“ läuft, müsse sich HP wohl selber bemühen, und könne das nicht durch eine Technologie Übernahme bewerkstelligten.
Richtig und auch wieder nicht ganz, sind doch die Jungs und vermutlich auch Mädels aus Houston in Texas auch für „Moonshot“ verantwortlich. Das beweist schon die Namengebungen: Alle drei namhaften HP-Server-Projekt tragen Namen aus der Raumfahrt – Moonshot (Server mit Handy Prozessoren), Odyssee (geschäftskritische Server) und Voyager (IT Automatisierung auf dem Motherboard). Das Raumfahrtzentrum der NASA in Houston war wohl Pate. Dort war auch der Stammsitz von Compaq Computer. HPs Computerkompetenz basiert schon seit längerem weitgehend auf Entwicklungen von Compaq (ProLiant). Daher haben die technisch verantwortlichen Serverteams auch weiter ihren Sitz in Texas.
Mobil-Prozessoren von namhaften Herstellern
Das Projekt „Moonshot“ wurde nach längeren Entwicklungsarbeiten in einer ersten Phase im Juni vergangenen Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei basierten die ersten Redstone Moonshot Maschinen auf Calxeda ARM Prozessoren und hatten 50 ausgewählte Service-Provider als Testkunden dieser ersten Projektphase.
Die am Montag den 4. April als zweite Phase gestarteten Moonshot 1500 Server haben als anfänglichen Rechen-Knoten einen Intel Centerton Dual-Core Atom S1200-Serien Chip in den Cartridge genannten Einschüben an Board. Das nächste Cartridge Modell, das schon bald auf den Markt kommen soll, ist bereits mit vier Serverknoten bestückt. Die etwa einen halben Notebook großen Cartridges sind die Nachfolger der Blades bei HP und bilden einen vielversprechenden Formfaktor. Bis zu 45 Einheiten passen in 4,3 U hohes Chassis für 19“-Racks. Sie können neben den reinen Rechnerknoten auch mit Speichereinheiten besetzt werden und so eine gute IT-Grundlage für Lösungen bieten. Bis zu 1500 Servereinheiten sind so möglich.
Unterschiedlich Prozessoren von weiteren Chip-Partnern wie AMD, ARM-Prozessoren von Calxeda, Texas Instruments und Applied Micro Devices sollen in den kommenden Monaten zum Einsatz kommen. HPs Roadmap sieht hier 2013 noch zwei bis drei Vorstellungen vor. Viele Beobachter hatten bereits in dieser Phase einen ARM-Chip erwartet, doch der Einsatz eines Atom-Prozessors von Intel beweist auch, wie wichtig die Zusammenarbeit mit Intel für HP ist.
HP Moonshot Cartridge in Chassis, die bis zu 45 Einschübe aufnehmen kann (Quelle: Werkfoto HP)
Als wichtige Kundengruppe hat HP zunächst weiter die sogenannten großen Hyperscale Betreiber von Rechenzentren verschiedener Dienstleister im Visier, sagt Dave Donatelli, Executive Vice President und General Manager des Enterprise Servers, Storage und Networking Business bei HP beim US-Sender CNBC. An diese Gruppe werden nach heutigem Stand etwa ein Fünftel aller Server jedes Jahr ausgeliefert. Doch es gebe auch schon zahlreiche Nachfragen aus dem klassischen Umfeld der Unternehmens-IT, die mit diesen neuen Form- und Technologiefaktor bedient werden wollen. Beide Gruppen werden bereits ab der gestarteten Phase zwei bedient.
HP Hardware-Chef Dave Donatelli ist stolz auf das Projekt Moonshot Quelle: HP Werkfoto
Nachhaltige Technik für wechselnde Workloads
„Dies ist der Tag der Industrie verändert. Dies ist der Tag, an dem Server einen Schritt nach vorne treten“ so Donatelli in einem Interview mit siliconAngle ebenfalls im US-TV. HPs Hardware-Chef sieht den breiteren kommerziellen Start von Moonshot als einen ähnlichen Meilenstein wie den bei der Einführung der sogenannten PC-Server (x86) vor 24 Jahren. Damals kam die Technik aus dem PC, heute aus den IT von Smartphones und Tablets. Man sei Marktführer bei den x86-Servern, so Donatelli und werde dies auch bei dem neuen Angebot sein.
Mit Moonshot will HP ein neues Server Ökosystem anbieten: Mehr Auswahl für die Kunden, niedrigere Kosten und weniger Strom. In konkreten Zahlen: 80 Prozent weniger Platzbedarf, 89 Prozent mehr Leistung, 77 Prozent geringere Kosten. Diese neuen Welt, die in der IT-Industrie immer öfter „Software Defined Server“ nennt, stehen benutzerdefinierten Workloads im Mittelpunkt der Aufgaben: Web-Anwendungen, Social Media Apps, Video Medien, Telecom Networks, angeboten in Cloud-Plattformen.
Diese Aufgaben können die heutigen Server-Modelle nicht leisten, räumt Donatelli ein. Sie sind nicht nachhaltig genug. Es wäre in den nächsten fünf Jahren acht bis zehn neue Kraftwerke zur Versorgung der Server, notwendig. Das ist nicht machbar. Dies ist auch der Grund, warum Anbieter wie Google, Facebook und Amazon eigene modifizierte x86- Maschinen einsetzten. Dass es mit den neuen Moonshot-Servern nachhaltiger geht, will HP im eigenen Haus beweisen. Die Website HP.com erhalte 3 Millionen Zugriffe pro Tag. Mit dem eingesetzten HP Moonshot 1500, braucht die Website nur die Energie von zwölf 60W Glühbirnen.
Großes Marktpotential
Das neue Ökosystem Moonshot mit Netzwerken und integrierten Speichern ist nach Angaben von HP voller Produktion und in den USA / Kanada ab sofort, in Europa einen Monat später verfügbar. Als TAM (Total Available Market) nennt Donatelli 40 Milliarden US-Dollar. Für den Hyperscale-Anteil werden für die nächsten 10 Jahren 19 Prozent dieses 40 Mrd. € Marktes genannt. Das ist ein hohes Einkommenspotential für HP, um auf dem Servermarkt zu neuen Ufern vorzustoßen.
Unter der neuen Flagge Software Defined Server (oder Data Center) versuchen sich neben HP einige namhafte Anbieter zu etablieren, obwohl Donatelli beim seinen Gesprächen HP für konkurrenzlos hält. Dazu gehören IBM mit seinem Pure System auf der Grundlage des POWER Prozessors. Sowie die EMC-Tochter Netware. Was für HP ebenfalls schmerzlich ist, ist der Verlust des Datenbank-Partners seit dem Streit mit Oracle. Datenbanken und Systemsoftware (Middleware) sind nun mal grundlegenden Komponenten für den „Total Stack of Technologie“. Günstig für HP ist, dass sich der Konzern beim Thema Netzkommunikation mit eigenen und zugekauften Produkten (3Com) immer am Ball blieb.