ein Blog von Rudi Kulzer
Wie berichtet hat sich HP-Chef Leo Apotheker dazu entschlossen, mit radikalen Umbauplänen an die Öffentlichkeit zu gehen. Mit dem Abschied vom margenschwachen PC-Geschäft soll eine Hinwendung zu Software und Services nach dem Vorbild IBM kräftigere Gewinne in die Kassen des bisher umsatzstärksten IT-Anbieters der Welt bringen.
HP-Chef Leo Apotheker Quelle: Werkfoto
Gut gedacht, schwierig zu machen! Dieser Entschluss war schon seit einigen Jahren überfällig, will der Elektronik- und Computerpionier aus Palo Alto auch inhaltlich weiter in der Premiumliga der weltweiten Informationstechnik mitspielen. Er hätte bereits von Apothekers Vorgängern angepackt werden müssen. Doch die glänzten, wie in den USA üblich, zur Freude der Investoren erst einmal mit Entlassungswellen.
Der Schlüssel zu einem Erfolg beim Thema „Enterprise Computing“ heißt Datenbanken und deren Auswertung, besonders wenn sich wie aktuell gut erkennbar in diesem Feld starke Veränderungen andeuten. Sie stehen nach wie vor im Mittelpunkt der Informationstechnik in den Unternehmen. Angesichts einer rasch wachsenden Datenflut durch neuen Anwendungen und Medien müssen sich aber alle führenden IT-Anbieter, zu denen auch HP gehören will, neuen Herausforderungen bei geschäftskritischen Lösungen stellen.
Unternehmensdaten und ihre Analyse
Mit gewaltiger Computerpower ihrer IT-Infrastruktur im Rücken, gleichgültig ob im Haus (on premise) oder von einem Dienstleister (Outsourcing oder künftig in der Cloud), fordern die geschäftlich verantwortlichen Manager in den Unternehmen nun von ihren Technikern fortschrittliche Analysewerkzeuge, mit deren Hilfe sie täglich Entscheidung durch die Auswertung aktueller Daten treffen können.
Datenbanken sind somit heute anders als in ihren Ursprungszeiten nicht nur gigantische relationale Stücklistentabellen. In Zeiten eines scharfen internationalen Wettbewerbs schreien die Firmenlenker und ihre beratenden Strategen förmlich danach, die Inhalte der Masse ihrer Unternehmensdaten jederzeit auf Knopfdruck sofort zur Verfügung zu bekommen, mehr oder weniger in Echtzeit also.
Zur klassischen Verwaltung von Stammdaten und deren Bearbeitung in den Tabellen relationaler Datenbanken kommen daher in verstärktem Maße Werkzeuge wie Data Warehousing (DWH) und Business Intelligence / Analytics (BI /BA) in der Kombination mit Datenbanken zum Einsatz, um komplexe Entscheidungen schnell treffen zu können.
Diese scheinen derzeit die stärksten Herausforderungen für die namhaften Anbieter zu sein, denen sich nach seinen Plänen auch Leo Apotheker und seine weltweite HP-Mannschaft stellen muss. Doch hier herrschen noch große Defizite beim Elektronik-Pionier an der Hanover Street in Palo Alto.
HP Zentrale in Palo Alto Quelle: Werkfoto
Zwei mächtige Kontrahenten
Oracles Unix-Datenbankprogramm und IBMs Datenbankfamilie DB2 sind die dominanten Player bei den Datenbanken für Firmenrechner. Beide Kontrahenten kreuzen schon seit einiger Zeit in einem scharfen Wettbewerb um den Erhalt von Stammkunden und dem Gewinnen von Neukunden heftig die Klingen.
Oracles Datenbank findet vor allem auf großen Unix-Servern ihren Einsatz. Rechner wie die SunFire-Maschinen mit dem Unix-System Solaris, HP Server mit HP/UX oder IBM mit AIX sind häufig verwendete Plattformen. Im Midrange-Bereich werden nahezu alle Unix-Systeme unterstützt. Linux wurde neben Solaris als strategische Hauptplattform längere Zeit von Oracle favorisiert und fand eine sehr starke Verbreitung. Auch Microsofts Plattform Windows wird wegen der hohen Verbreitung strategisch bedient. Jüngstes Beispiel ist die Datenbankmaschine Exadata 2 auf der Basis eines Sun-Servers. Modell 1 kam noch von Hewlett-Packard.
Datenbankmaschine Oracle Exadata 2 Quelle: Werkfoto
IBMs Datenbank Angebot DB2 wurde in den 80er Jahren zunächst für die damals dominierenden Mainframe-Rechner und später auch für andere Plattformen entwickelt. Heute wird DB2 für z/OS in erster Linie bestimmten Großkunden (Transaktionen) etwa auf dem neuen zEnterprise System angeboten. Dabei geht es in erster Linie um hohe Verfügbarkeit (high avalability) und Sicherheitsfragen. Weitere Varianten von DB2 gibt es für die Betriebssysteme Linux, Unix (AIX) und Windows, die in einem Sammelbegriff DB2 LUW angeboten werden.
IBM zEnterprise z196 Quelle: IBM
Datenstrukturen im Wandel
Bei diesen mittlerweile seit Jahrzehnten etablierten relationalen Datenbanken gibt es kaum mehr neue, entscheidende Entwicklungen. Die etablierten Produkte der beiden großen Kontrahenten Oracle und IBM, aber auch die SQL Server Datenbank von Microsoft sowie quelloffene Angebote (etwa MySQL) sind ziemlich ausgereift. Sie haben daher je nach Anwendungen und Budget der Kunden ihre Marktpräsenz.
Doch die Welt des Daten-Handling in Unternehmen sich mit dem Siegeszug des Internet stark verändert. So steht beim sogenannten „Retail“ eher eine Reihe von Interaktionen im Vordergrund des Handelns. Will man beispielsweise „online“ etwas kaufen, dann sucht der Kunde erst einmal auf bestimmten Plattformen im Internet, blättert in virtuellen Katalogen und informiert sich bei entsprechenden Vergleichsportalen über die Preise.
Findet man etwa bei otto.de, H&M oder bei Amazon das Gesuchte, legt man es in den virtuellen Warenkorb, geht im Internet zur Kasse und schließt dann den Bestellvorgang mit bestimmten Vereinbarungen ab. Die Auswahl war bestimmt von einer Vielzahl von Interaktionen, der kaufmännische Bestellvorgang selbst von einigen wenigen Transaktionen.
Diesem Mix aus Interaktion und Transaktion sind die klassischen relationalen Datenbanken (RDBMS – Relational Data Base Management Systems) bei Applikationen im Web häufig nicht gewachsen, waren sie doch ursprünglich nur auf Transaktionen optimiert.
Um diese Situation zu verbessern, gewinnen sogenannte NoSQL Datenbanken zunehmend an Bedeutung. Bei NoSQL Datenbanken, das Kürzel steht für Englisch Not only SQL, handelt es sich um Datenbank Management Systeme, die einen nicht-relationalen Ansatz verfolgen und so mit der langen Geschichte von relationalen Datenbanken brechen. Sie werden häufig in der Wolke des Internets, in der „Cloud“ angeboten.
Zukauf Autonomy
In dieses Umfeld (NoSQL, Cloud) gehört auch das Datenbank Management des Softwarehauses Autonomy aus London, das HP übernehmen will. Das 1996 im britischen Cambridge von Mike Lynch gegründete Unternehmen ist auf die Entwicklung von Software spezialisiert, mit der sich in Datenbanken und Servern große Mengen an unstrukturierten Daten einfach durchsuchen, analysieren und schützen lassen – egal, ob sie sich in Datenkolonnen, Textdokumenten, Videos, Sprachaufzeichnungen oder E-Mails befinden.
Autonomy Chef Mike Lynch Quelle: Werkfoto
HP-Chef Leo Apotheker lobte Autonomys attraktive Lösungen für das Cloud-Computing, ein Bereich, der stark ausgebaut werden soll. Autonomy hat sich zu einem der größten Technologie-Unternehmen in Großbritannien entwickelt und zählt BP, Ford Motor und das US-Verteidigungsministerium zu seinen Kunden. Der Deal würde HPs drittgrößte Akquisition nach Compaq und Electronic Data Systems sein und den Zugang zu einem großen Kundenstamm ins von HP Portfolio bringen.
Ausblick
Wie es ums HP Enterprise Geschäft bestellt ist, ist nicht so leicht einzuschätzen. Im oberen Leistungsbereich schlecht, in der Mitte ganz ok. Die gesamte Enterprise Servers, Storage and Networking (ESSN) Gruppe konnte nach dem erst vor wenigen Tagen bekannt gegebenen Quartalsergebnis ein Umsatzzuwachs von mageren 7% im Jahresvergleich mit einer operativen Gewinnmarge von von 13.0% verbuchen. Positive Trends: Networking wuchs um 15%, der Umsatz der Industrie Standard Server (Wintel Architektur – das sind die Compaq ProLiant) stieg um 9%. Die für große Enterprise Geschäft wichtigen Business Critical Systems (BCS) mussten dagegen einen Rückgang von 9% hinnehmen. Dafür ist vermutlich in wesentlichen Teilen das Zerwürfnis mit Oracle verantwortlich.
Nimmt man die Hardware Zahlen als Grundlage einer strategischen Überlegung, kann Leo Apotheker nur einen engeren Schulterschluss mit Microsoft und deren Datenbank SQL Server suchen. Die Möglichkeit für HP, sich als Plattform für die Oracle Datenbanken anzubieten, wie dies noch vor einiger Zeit ein gutes Geschäft war, sind durch die menschlichen Zwistigkeiten (SAP, Hurd) zum Leidwesen vieler Kunden derzeit verbaut.
Trotz der geplanten Übernahme von Autonomy ist es eine Tatsache, dass HP heute die relationale Datenbank-Basis fehlt, die für einen Player auf dieser Topebene schlichtweg ein Muss ist. Mit der von Tandem Himalya durch den Compaq Deal übernommenen Datenbank im Haus, NonStop SQL/MX, hat HP aus Spargründen, aber auch mangels Erkenntnis den Anschluss an aktuelle Technologie-Trends vergeigt.
Für die Baustelle HP gibt es deshalb derzeit nur die Alternativen SQL Server von Microsoft und das SAP in-memory Dedaddel, das sich aber nur für DWH eignet und derzeit noch teuer ist. Das alles ist aber bei einer so wichtigen Stack-Komponente wie der relationalen DB immer mit extremen Abhängigkeiten zu Partnern (siehe ehemalige Oracle Partnerschaft) verbunden.